„Seit 1814 war Malta britische Kronkolonie und Flottenstützpunkt und seither langweilten sich Tausende britische Marinesoldaten in der Hauptstadt La Valetta“
Hansen 2018, S. 125
Das war natürlich eine wunderbare Spielwiese für unseren Major Baden-Powell, der im Februar 1890 auf Malta ankam und sich sofort daran machte ein ordentliches Freizeitprogramm auf die Beine zu stellen. Theater, Gesang, Sport, freiwillige Erste-Hilfe-Kurse… Und, das war im Vergleich zu seinen früheren Wirkungsstätten neu, auch Grabungsarbeiten. Als militärischer Sekretär und Adjutant seines (vor kurzem zum Ritter geschlagenen) Onkels Sir Henry Smyth Baden-Powell war er auch für die Organisation von Bällen, Dinnern und anderen Festlichkeiten der militärischen und wirtschaftlichen „High Society“ Maltas zuständig.1Jeal 2007, S. 181ff
Ein geheimer Auftrag für Major Baden-Powell
Im Mai 1891 wurde BiPi dann ein Geheimauftrag anvertraut. Im Auftrag des britischen Geheimdienstes sollte er in Italien, Albanien, Griechenland, der Türkei, in Bosnien und Herzegowina geheime Nachforschungen über Truppenstärken, Befestigungsanlagen und Waffen anstellen. So schreibt es Walter Hansen.2Hansen 2018, S. 126
BiPi, gar nicht so begeistert über diesen Spezialauftrag, machte das beste daraus und sich auf die Reise.
Die Geschichte, die er über diese Zeit und seine Methoden erzählt ist folgende: er versuchte nicht sich zu verstecken, sondern rüstete sich mit Schmetterlingsnetz, Fachbüchern, Bleistift und Notizbuch aus um den schrulligen Sammler zu geben, den niemand ernst nahm und der sich so überall in Ruhe umschauen kann. Seine Erkenntnisse versteckte er in Zeichnungen von Blättern und Schmetterlingen.3Hansen 2018, S. 129
…machen wir lieber mal Anführungszeichen um „Abenteuer“ und „Spion“
Während BiPi, vor allem in „My Adventures as a Spy“, diese Zeit als eine Aneinanderreihung von gefährlichen Geheimmissionen beschreibt (was Hansen übernimmt), beschreibt Tim Jeal die Sache ein wenig anders:
Zwischen 1890 und 1893 reiste Baden-Powell sieben Mal in Länder des östlichen Mittelmeers. Er sollte zwar enttäuscht sein ob der tatsächlichen Auswirkung dieser Reisen auf seine Karriere, aber die Auswirkungen, die sie auf sein Selbstbild hatten, sollten sich als grundlegend erweisen.
Jeal 2007, S. 186
Die Erzählungen aus „My Adventurs as a Spy“ wurden zwar sogar in wissenschaftlichen Abhandlungen über den militärischen Geheimdienst behandelt, dass liegt aber wohl eher daran, dass es aus dieser Zeit wenig erhaltene Berichte gibt. Es gibt eine Menge Hinweise darauf, dass er seine Berichte im „Nachhinein stark ‚verbessert‘ und ausgeschmückt“4Jeal 2007, S. 186 hat.
Tatsächlich konnte er sich vermutlich in den meisten Fällen sehr frei bewegen. Und wenn Baden-Powell uns erzählt, dass er auf einer gefährlichen Mission die neuen Feldkanonen „eines fremden Landes“ ausspionierte, dann war er in Wirklichkeit vermutlich einfach sehr früh aufgestanden, auf eine Anhöhe gestiegen und hatte es sich in Ruhe angeschaut. Zumindest wenn wir BiPis eigenem Tagebuch trauen können – auch wenn er wohl im nachhinein auch dort neue Aspekte eingefügt hat.5Jeal: 2007, S. 189f
Eine mögliche Erklärung, warum Baden-Powell die Geschichten so ausschmückte liefert Tim Jeal. Laut ihm stand Baden-Powell zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches „My Adventures as a Spy“ schon unter enormen Druck die rasch wachsende Pfadfinder*innenbewegung mit neuen Geschichten zu versorgen. So nutzte er Erzählungen, die er schon in früheren Büchern veröffentlicht hatte, und schmückte sie aus. Eine Folge der dauernden Wiederholung dieser Geschichten war aber auch, dass er bald fast so sehr als Spion bekannt war, wie für seine Leistung bei Mafeking.6Jeal 2007, S. 192
Einen Hinweis darauf, dass ihm das Buch irgendwann ein wenig Peinlich wurde, könnte – laut Jeal – auch sein, dass er bei einer Neuauflage 1924 aus „My Adventures…“ „The Adventures…“ machte damit es nicht mehr als autobiographisch aufgefasst wurde. (Vermutlich änderte und ergänzte er in den 1920ern auch die entsprechenden Textpassagen in seinem Tagebuch. Das Pfadfinderkomitee setze ihn unter Druck eine Biographie freizugeben. Baden-Powell hatte wohl Sorge, „dass verschiedene angeblich authentische Erlebnisse seines Lebens, über die er viele Male geschrieben hatte, sich als erfunden herausstellen würden.“7Jeal 2007, S. 192)
Lesen wir die verschiedenen Biographien und betrachten wir die Texte, die es über Baden-Powell im Internet gibt, können wir heute wohl feststellen, dass es ihm gut gelungen ist den Ruf des furchtlosen Spions im Gedächtnis der Pfadfinder*innen zu behalten.
Exkurs: BiPi im Deutschen Museum! Einfügen Deutsches Museum München !
Zurück zu den Husaren
So oder so war Baden-Powell also zwei Jahre als „Spion“ unterwegs, bevor er sich zurück zum 13. Husaren Regiment versetzen lies. Der Hauptgrund hierfür war vermutlich, dass sein Onkel Sir Henry Smyth Baden-Powell im folgenden Jahr seinen Posten aufgeben wollte und BiPi sich daher nach der nächsten Position umschauen musste, die auch mit einigermaßen Sold bedacht war. So kehrte er erst einmal nach England zurück um dann 2,5 Jahre gemütliches Garnisonsleben und Routinedienst zu genießen, bevor es 1895 plötzlich wieder nach Afrika gehen sollte.
Was ihm dort widerfahren ist, lest ihr dann hier: Westafrika
Wenn ihr mal in die Geschichten, die Baden-Powell sich über diese Zeit erdacht habt, rein lesen wollt, dann klickt doch hier: „My Adventures as a Spy“ (1915) englischer Volltext beim Projekt Guttenberg.
Fußnoten
- 1Jeal 2007, S. 181ff
- 2Hansen 2018, S. 126
- 3Hansen 2018, S. 129
- 4Jeal 2007, S. 186
- 5Jeal: 2007, S. 189f
- 6Jeal 2007, S. 192
- 7Jeal 2007, S. 192